Codewort: Nana, weiblich, 24 Jahre alt.
Welcome to the world of digital dating!
Drei Aussagen, deren Informationsgehalt ungefähr der Kalorienanzahl eines Wassers entspricht – nicht existent. Trotzdem reichen sie, um in die fabelhafte Welt von Tinder aufgenommen zu werden. Das stimmt nicht ganz – Paranormal Activity of Tinder trifft es eher. Würde man aus dieser digitalen Nahtoderfahrung eine Geschichte schreiben, dann würde sie der von Harry Potter gleichen.
Eine einsame Zauberin, das bin ich, gegen „du-weißt-schon-wen“, das ist Tinder, im folgenden T. genannt.
Im Gegensatz zu Harry war mir leider nicht sofort bewusst, dass T. einer von den ganz Bösen ist. Ich hatte sogar eine kurzweilige Affäre mit ihm. Habe meine Prinzipien über Bord geworfen und dann ist es passiert – T. hatte mich in seinen Fängen. Im Unterschied zu meinem liebevollen Ménage-à-trois mit Instagram und Facebook, das einer glücklichen Langzeitbeziehung gleicht, war das hier ein One-Night-Stand mit einem zweiten Ausrutscher im Anschluss. Wir trennten uns, besser gesagt, ich habe T. von meinem Handybildschirm gelöscht. Wir hatten einfach nicht die gleichen Ansichten von der Liebe und von Beziehungen.
Die virtuelle Partnerschaft von T. und mir fing ganz aufregend an, so wie das immer beim Dating ist. Schmetterlinge hatte ich zwar keine im Bauch, dafür aber regelmäßig Krämpfe in der Hand vom hin- und herwischen auf meinem Handybildschirm. In dieser Zeit habe ich alles, wirklich ALLES, gesehen, was die zauberhafte Männerwelt so zu bieten hat. T. hat es auch regelmäßig geschafft mich so zum Lachen zu bringen, dass ich Bauchschmerzen hatte. Ihr Männer seid schon wirklich außerordentliche Wesen, das hat mich T. gelehrt.
T. oder besser gesagt die männliche Anhängerschaft von T. streben offenbar nach einer Polygamie, sie wollten mich, die hoffnungslose Romantikerin, davon überzeugen, dass Sex mit Männern, die man nicht kennt, vollkommen ok ist. Nicht, dass das Ganze sowieso schon total absurd ist. Du bewertest eine Person anhand eines Fotos, eines Namens und eventuell noch einer kleinen Kurzbeschreibung. Wenn ihr euch beide „sympathisch“ findet, fangt ihr an zu schreiben und trefft euch vielleicht sogar. Im Grunde genommen trifft man sich also mit einem wildfremden Mann von dem man weder weiß, wie genau er wirklich aussieht, wie sich seine Stimme anhört oder ob er überhaupt die Person ist, die er vorzugeben scheint. Prost Mahlzeit aber auch!
Ich muss zugeben, Dating ist ein schwieriges Unterfangen, wenn man 1. sehr wählerisch ist, sich 2. vor sehr vielen Dingen ekelt und 3. schüchtern ist. Ich wurde vor ein paar Monaten von einem Mann in der realen Welt angesprochen (kommt so gut wie nie vor, lag wohl eher daran, dass er sehr betrunken war) und war so aufgeregt, dass ich nach fünf Minuten das Weite gesucht habe. Das passiert in der Welt von T. nicht. Das passiert generell in der virtuellen Welt nicht. Dort bekommen wir ja ständig Dauerbestätigung in Form von Likes, Freundschaftsanfragen oder schmeichelnden Kommentaren. Schreiben ist halt so viel einfacher als tatsächliches Sprechen.
Ihr fragt euch bestimmt, warum ich mich überhaupt auf dieses Experiment eingelassen habe. Ich habe tatsächlich sehr naiv geglaubt, dass ich dort den Mann meines Lebens finden werde. Ich habe ja einen Plan. Heiraten und Kinder vor der 30. Da halte ich dran fest, auch wenn die ganze Welt mich vom Gegenteil überzeugen möchte. Die erste Schlacht gegen T. habe ich gewonnen, indem ich Absurdistan durch einen einfachen Klick beendet habe. Die zweite Schlacht ist die gegen Männer, die noch nicht wissen, was sie wollen. Knapp einzuteilen in drei Kategorien:
Kategorie 1: Der Macho – datet alles, was nicht bei drei nein sagt. Hat noch nicht begriffen, dass man einer Frau die Tür aufhält oder im Auto wartet bis sie ihre Haustür aufgeschlossen hat. Locker Sex mit mehreren Frauen (die nichts voneinander wissen) ist bei ihm auch okay. Familienplanung ist ihm ein Fremdwort.
Kategorie 2: Der Karrieretyp – hat keine Zeit überhaupt zu daten, weil er so schnell wie möglich ganz viel Geld verdienen möchte und so richtig erfolgreich sein will.
Kategorie 3: Der Träumer – findet die Idee von einer Familie auch ganz toll und ist gerne in Beziehungen. In der Traumwelt halt. Bei der Umsetzung hadert es dann, könnte zu viel Energie in Anspruch nehmen.
Jetzt wünsche ich mir doch, dass ich ein bisschen so wäre wie Harry Potter. Dann könnte ich mir einfach meinen Traummann herzaubern. Ich habe aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Das klappt schon noch, auch ohne Zaubern. Jetzt feiere ich erstmal die gewonnene Schlacht gegen T. und bereite mich mental und körperlich auf die nächste vor.
Achja, dem digital dating habe ich den Rücken gekehrt. Adios Amigo T. – bis hoffentlich nie nie wieder!