Tag 5: Im Wahlkoma

24. September 2017

Mein liebes Deutschland,

ich schreibe dir heute, weil ich zum ersten Mal in unserer langen Freundschaft Zweifel an dir hege. Du bist das Land in dem ich geboren bin, in dir bin ich aufgewachsen, ich bin zu dir zugehörig – auf dem Pass und im Herzen. Heute aber habe ich wirklich an dir gezweifelt. Nicht an dir persönlich natürlich – nein, eher an deiner rechten Gehirnhälfte (im wahrsten Sinne des Wortes). Wie kann ich meine Enttäuschung nur ausdrücken? Ich weiß es nicht. Was ich weiß ist, dass heute ein Tag ist, der nicht nur in meine persönliche Geschichte dieses Landes eingehen wird. Die „Alternative für Deutschland“ ist als stark rechtspolitische Partei tatsächlich als drittgrößte Kraft in den Bundestag eingezogen. Nazis im Bundestag – mehr sage ich dazu nicht.

Mir sind ein paar kleine Geschichten eingefallen, die ich dir kurz erzählen möchte. Als ich kurz davor war, das Licht der Welt zu erblicken, sagte ein Arzt meiner Mutter, man könne die Geburt (von mir) nicht eher in die Wege leiten – ich wäre ja mischrassig und diese Kinder wären in der Regel mikriger als reinrassige Kinder. Drei Tage später war ich da – gesund, groß, mit reichlich Appetit (hält bis heute an), völlig normal also. Ein paar Jahre danach fragte man mich, ob ich nicht Angst hätte in den Iran zu fliegen – wegen der ganzen Terroristen und so. Irgendwann bin ich auch mal beschimpft worden, als ich mit meinem Vater aus unserem Auto stieg. Der Herr mittleren Alters konnte es nicht fassen, dass „mal wieder“ so „Kanacken“ aus „so einem Auto“ steigen. Auf meine rhetorische Frage, wie unfair diese Welt doch wäre, rasselte er dann eine Hasspredigt über die ganzen Ausländer herunter. Ich fands witzig, mein Vater schüttelte nur den Kopf und kaufte fleißig Kartoffeln ein. Dies sind nur ein paar Situationen, in denen ich Rassismus persönlich begegnet bin – vielleicht sind sie harmlos, aber sie zeigen doch eines sehr deutlich: braune Suppe gab es immer schon.

Es fällt mir heute irgendwie schwer das auszudrücken, was ich fühle. Mein gewohnter Sarkasmus hat sich auch schon vor Schreck versteckt. Deswegen halte ich es ganz kurz:

Mein liebes Deutschland, das hier ist zwar ein Brief der Enttäuschung, des Frusts und mit Sicherheit auch der Traurigkeit. Aber – du bist ein tolles Land. In dir lebe ich gerne. Die AfD im Bundestag ist wie einer der vielen Hundehaufen auf der Straße. Sie sind da als brauner Haufen, stinken und ärgern alle. Nach ein paar Tagen sieht man sie aber fast nicht mehr, weil sie sich entweder selbst zersetzen oder von unachtsamen Straßengängern zertreten werden. Vor Hundehaufen ekel ich mich schon lange nicht mehr, da muss man mal die Nase zuhalten und sie einfach entfernen.

Ich hoffe, dass ich dir nie wieder so einen Brief schreiben muss. Damit das nicht passiert, widme ich mich jetzt dem Kampf gegen die braunen Kackhaufen dieses Landes.

Bis bald,

Nana

 

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